Folgen von Verantwortungsdiffusion in Krankenhausteams für die Patientensicherheit

Auf der Intensivstation macht der Gesundheitszustand eines Patienten mit Herzbeschwerden Sorgen. Dabei steht nicht sein Herz, sondern der Zustand eines seiner Beine nach vielen Tagen im künstlichen Koma im Blickpunkt. Eine Pflegekraft fordert die beiden gerade auf der Station Dienst habenden Ärzte auf, in der Orthopädie ein Extensionsgestell zu holen, damit das Bein anders gelagert werden könne. Die Ärzte erwidern, das könne sie doch selbst tun. Sie sagt, dafür sei sie nicht zuständig, das müsse in einem ärztlichen Konsil (das Hinzuziehen eines Facharztes durch einen anderen Arzt) geschehen. Später wird sie das als das „Scheiß-Egal-Gefühl“, das sich manchmal bei allen Beteiligten einstelle, beschreiben.
Das Extensionsgestell wird nicht angefordert. Tage später muss dem Patienten das Bein amputiert werden. Ob das durch eine andere Lagerung zu verhindern gewesen wäre, ist hier nicht festzustellen. Fakt ist, dass der Versuch, mit einer anderen Lagerung zur Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beines beizutragen, unterlassen wurde.

Dies ist eine wahre Begebenheit Sie ist in ihrer Art exemplarisch: Immer wieder können wir beobachten, dass in Gruppen, also auch in Krankenhausteams, solch eine Verantwortungsdiffusion herrscht. Die Teammitglieder sehen eine spezifische Aufgabe und die Notwendigkeit, sie zu erfüllen, fühlen sich aber nicht zuständig. Letztlich tut niemand etwas.

Was heißt das für Patientensicherheit?
Zur Sicherung der Qualität und der Patientensicherheit, wird häufig auf der Ebene der Prozesse und Handlungen nach Schwächen und Verbesserungen geschaut.
Das wird immer dort an Grenzen stoßen, wo Teams keinen Rahmen erhalten sich anzuschauen: Wer fühlt sich für was verantwortlich? Was bleibt an Aufgaben unerledigt, obwohl alle zustimmen, dass diese getan werden müssten? Warum ist das so?

Möglichkeit der Veränderung
Verantwortungsdiffusion in Gruppen ist psychologisch erklärbar und nicht vermeidbar – wohl aber reflektierbar.
Sich gerade bei schwierigen Aufgaben, deren Ausgang ungewiss ist, hinter anderen zu „verstecken“, ist ein Phänomen, das sich auch zeigt, wenn mehrere Menschen einer Straftat zuschauen, aber keiner einschreitet.
Der Wunsch nach persönlicher Entlastung zum Beispiel, ein an sich positiver Impuls bei hoher Arbeitsverdichtung, kann zu Verantwortungsdiffusion führen. Was aber heißt das für Qualität von Patientensicherheit wenn die Arbeitsdichte nicht oder nicht wesentlich verringert werden kann?
Krankenhausteams sollten die Chance haben, diese Fragen in einem geschützten Rahmen wie Supervision oder Coaching zu bearbeiten. Erst dann kann neu festgelegt werden, was verantwortungsvolles Verhalten für jeden einzelnen im Team heißt. Damit als notwendig erkannte Aufgaben im Sinne der Patientensicherheit auch ausgeführt werden.